(Bericht von Gerald Stachl – PH NÖ)

Nachdem in den Jahren 2016 und 2017 die Bildungskongresse in Salzburg und Brugg/Windisch (CH) stattfanden, war von 19. Bis 22. September 2018 die Universität Münster Gastgeber. Im Rahmen dieser Tagung fand auch ein Treffen der Initiative LEMAS (Leistung macht Schule) statt, wodurch sich insgesamt ca. 1200 TeilnehmerInnen zum Erfahrungsaustausch trafen.

In seinem Eröffnungsvortrag: "Bildung in Deutschland vor neuen Herausforderungen" plädiert Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin (Ludwig-Maximilians-Universität München, Staatsminister a.D.) für die Stärkung des eigenständigen Urteilsvermögens und die (zumindest teilweise) tiefergehende Behandlung von Themengebieten („Zeit lassen“). Er stellt auch klar, dass Hochbegabtenförderung nicht als Hochleistungsförderung verstanden werden darf.

Prof. Andreas Schleicher behandelte die Themen Talentförderung und Bildungsgerechtigkeit im Kontext der PISA-Befunde. Aus seiner Sicht ist es dringend notwendig kritisches Denken zu schulen, die Selbstwirksamkeit der SchülerInnen zu fördern und die Fähigkeit mit Spannungsfeldern umzugehen zu stärken. Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass Kanada diese Bedingungen sehr gut erfüllt. Auf das Problem, dass Brennpunktschulen zwar oft über eine höhere Zahl, aber nicht unbedingt die best-qualifizierten LehrerInnen verfügen, haben asiatische Länder eine interessante Antwort: In diesen Ländern müssen sich die fähigsten Lehrpersonen über die Tätigkeit in diesen Schulen für höhere Aufgaben qualifizieren.

Prof. Dr. Olaf Köller widmete sich in seinem Vortrag der Identifikation und Förderung von MINT-Talenten. Die internationalen Vergleichsstudien (PISA, TIMMS und LISA (nationale Studie für Sek II)) zeigen Aufholbedarf. Aus seiner Sicht gibt es für den Bereich MINT-Talenteförderung einen blinden Fleck in der Grundschule. Prof. Dr. Françoys Gagné beschrieb die Weiterentwicklung seines vor 25 Jahren veröffentlichten DMGT (Differentiated Model of Giftedness and Talent) zum IMDT (Integrative Model of Talent Development), indem er den Prozess der Begabungsentwicklung aus genetischen Voraussetzungen in sein neues Modell integriert.

Prof. Dr. David Lubinski behandelte in seiner Key Note „Finding and Nurturing Exceptional Intellectual Talent“ die Ergebnisse der „Study of Mathematically Precocious Youth“, die Julian Stanley im Jahr 1971 an der John Hopkins Universität startete. In dieser Studie wird die Entwicklung von Jugendlichen dokumentiert, die bereits im Alter von 12-13 Jahren Spitzenergebnisse im SAT (Scholastic Aptitude Test) erreichen, der die Studierfähigkeit in den USA überprüfen soll. Die Langzeitstudien zeigen, dass sich aus diesen Testergebnissen bereits im Alter von 12 Jahren sehr gute Prognosen auf den zukünftigen beruflichen Erfolg erstellen lassen.

Prof. Dr. Del Siegle analysierte in seinem Thema „Understanding Gifted Students’ Underachievement and Motivation“ die Gefahr, dass Potentiale nicht erkannt werden. Die Chancen dieses „Nicht-Erkennens“ liegen bei Mädchen, sozial benachteiligten, ev. nicht muttersprachlichen Gruppen deutlich höher als bei anderen Personen. Es kann jedoch gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit des Erkennens von Talenten bei sehr hoher Intelligenz auch in diesen erwähnten Personengruppen wieder steigt.

Weitere Hauptvorträge von Prof. Dr. Anne Sliwka zum Thema „Universal Design, Deeper Learning and Flexible Grouping“ und Prof. Dr. Susan Baum zum Themenfeld der Twice Exceptionals (Brains Wired Differently: Understanding the Twice-Exceptional Learner) sowie eine Vielzahl an Workshops, Symposien und Expertendiskussionen rundeten das Angebot ab.

Prof. Dr. Christian Fischer gelang es mit seinem Team vom ICBF in diesen 3 Tagen in Münster einen Rahmen zu schaffen, in dem sich die große Anzahl der TeilnehmerInnen wohl fühlte, es viele Gelegenheiten zum Informationsaustausch gab und es möglich war, sich über aktuellste Forschungsergebnisse zu informieren.